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Durch Anne am 16.11.2022

U Salgetu, ein Dorf aus Stein und Schiefer zu Füßen des San Petrone

Steinmauern voller Geschichte

U Salgetu (Saliceto) liegt am Ende eines Tals und ist umgeben von Felswänden und dichten Wäldern. Es beeindruckt mit einer außergewöhnlichen Architektur und die turmartigen Häuser erzählen die reichhaltige Geschichte eines authentischen Stücks Korsika.
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Den Besuchern offenbart sich U Salgetu wirklich erst in der allerletzten Kurve einer schmalen Straße, die sich vom Casaluna-Tal aus durch die ersten Ausläufer der südlichen Castagniccia schlängelt. Ein Dorf, das dem Sonnenuntergang zugewandt ist und dessen Steinhäuser vor dem Hintergrund des mythischen Berges San Petrone ein harmonisches Gesamtbild ergeben und mit ihren schiefergedeckten Dächern den Bergkamm nachzeichnen. Die Häuser sind hoch und stehen dicht gedrängt – so konnten die Bewohner das Tal gut überblicken und sich im Verteidigungsfall schnell zusammenschließen.

 

Die Architektur ist außergewöhnlich - gleichzeitig massiv und luftig. Wer das alte Dorf betritt, aus dem der Autoverkehr verbannt wurde, Brücken überquert und Gewölbe durchschreitet (sottu a loghia), in das Herz von Saliceto mit seinen gepflasterten Gässchen vordringt, dem offenbart sich die Schönheit des Dorfes ganz besonders. Hier erzählt jede Mauer ihre eigene Geschichte, und die zwei Gebirgsbäche, die durch das Dorf rauschen - A Casella und U Piracciu – sorgen für eine beruhigende Geräuschkulisse.

 

Das Wasser ist im Dorf tatsächlich allgegenwärtig, bis unter das Chorgestühl der Kirche l’Annunziata, die einen der beiden Flüsse überspannt – eine architektonische Extravaganz, die wahrscheinlich in Korsika einzigartig ist. Auf diese Weise strömt das Leben unter dem barocken Stuckaltar und den fein gearbeiteten Holzmöbeln der Sakristei hindurch. Zurzeit wird der Sakralbau renoviert, allerdings bleibt er tagsüber geöffnet und somit für Besuche und Gebete zugänglich.

 

Aber schon allein seine Steinfassade verrät viel über die reichhaltige Geschichte des Ortes U Salgetu, der Mikroregion Rustinu und der Region Castagniccia. Die Steine, aus denen die Turmhäuser und die Sakralbauten gebaut wurden, sind Zeugen aus vergangenen Zeiten - wie auch der Menhir, der einer der Kirchentüren als Pfeiler dient. Die zu Nischen und Simsen für die Häuser der damals herrschenden Familien- den „Caporali“ - gearbeiteten Steine, erzählen wie ein offenes Buch von einer sehr alten sozialen Ordnung - einige dieser Mauern stammen aus dem 15. Jahrhundert.

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Saliceto, dessen Name wie überall auf der Insel von den Weiden kommt (frz.: saule, korsisch: salge), die die Flüsse säumen, ist auch der Geburtsort von Christophe Saliceti, einem Abgeordneten des Nationalkonvents, der in der Zeit der Französischen Revolution den König zum Tode verurteilte. Saliceti war auf der Insel zunächst ein Unterstützer, dann ein Gegner von Pasquale Paoli aus dem benachbarten Ort Morosaglia, und er bereitete Napoléon Bonaparte den Weg zum Aufstieg, indem er ihm 1792 während der Belagerung von Toulon den Oberbefehl über die Artillerie anvertraute. Mit ihr kämpfte Napoleon gegen die Alliierten der anglo-neapolitanischen Koalition, die Gegner der jungen Republik.

Diese Schlacht machte aus dem Kapitän der Artillerie einen Brigadegeneral und ermöglichte ihm zunächst einen triumphalen Italienfeldzug und dann den Aufstieg an die Spitze des Kaiserreichs. Als Belohnung erhielt Saliceti später den Posten eines Polizeiministers unter Joseph Bonaparte, dem König von Neapel und Bruder von Napoleon.

All das weit weg von U Salgetu, das seine Vergangenheit kultiviert, aber auch in der Gegenwart lebt. Der Kastanienanbau, von dem die Ruinen einer Mühle am Fluss zeugen, gehört der Vergangenheit an. Zur Gegenwart gehören die Wurstspezialitäten wie prizutti, lonzi, coppe und salcicccie, die an der frischen Luft der Castagniccia getrocknet und in den Kellern des Dorfes verfeinert werden. Züchter, Metzger und Schäfer arbeiten gemeinsam an der Herstellung dieser Spezialitäten.

In 762 Metern Höhe kann der Winter hart sein, aber im Sommer wirkt die frische und gesunde Luft, die schnurstracks vom Berg San Petrone heruntergeblasen wird, sehr belebend. Wenn sich am Abend Gruppen von Dorfbewohnern draußen zum Kartenspielen treffen, füllt sich der Dorfplatz mit Leben.

 

Wichtiger Treffpunkt für die Salgitinchi und die Einwohner der umliegenden Dörfer San Lorenzo, Gavignano und Castineta ist das städtische Schwimmbad, eines der ersten der Region.

 

Am Fuße der Felswand A Teppa mit dem spektakulären „Kong“ aus Granit fließt die Zeit gemächlich dahin.

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Am Fuße des San Petrone

 

U Salgetu liegt in der Mikroregion Rustinu, am Südhang der Region Castagniccia, die von dem 1767 Meter hohen San Petrone dominiert wird. Von seinem Gipfel bietet sich dem Wanderer ein atemberaubender Ausblick. Man kann sogar Italien und die Toskana sehen, die gar nicht so weit entfernt sind. Die am besten geeignete Wanderstrecke für Familien startet an der Bocca di u Pratu. Von Saliceto aus gibt es auch anspruchsvollere Optionen, bei denen Sportwanderer auf ihre Kosten kommen.

 

Nach einer anstrengenden Wanderung lockt das Schwimmbad von Saliceto und bietet Badefreuden, Erfrischung und Essen in geselliger Runde.

©JACQUES PAOLI ©JACQUES PAOLI

Unter dem wachsamen Blick des Kong

 

Roccapina hat seinen Löwen, Saliceto seinen Gorilla. Das Dorf entstand im Laufe der Jahrhunderte am Fuße einer spektakulären Felswand, A Teppa, die sich in ihr bewaldetes Umfeld einfügt und gleichzeitig einen Kontrast mit dessen satten Grüntönen bildet.

 

Der über Jahrtausende in die Felswand geschnitzte „Kong“ wacht von seinem erhöhten Aussichtspunkt über die Salgitinchi.

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Von Colomba nach Paoli

 

In der Nähe von U Salgetu kann auch das Dorf Castinetu mit einer außergewöhnlichen Architektur punkten, die typisch für das Rustinu ist. Castinetu diente zu Beginn der 2000er Jahre bei den Dreharbeiten für einen Fernsehfilm des Kanals FR3 als Kulisse – der Film „Colomba“ basiert auf einem zentralen Werk von Prosper Mérimée. Die Geschichte dreht sich um das Thema der Vendetta und im Mittelpunkt steht eine Frau als Heldin - Colomba. Die dörfliche Atmosphäre hat sich verändert, aber die Szenerie ist gleichgeblieben. Obwohl das Grab von Colomba sich in Fozzà befindet, einem Dorf im Pfarrbezirk Vighjanu, fiel für die Dreharbeiten die Wahl auf Castinetu.

Von U Salgetu aus liegt Castinetu auf der Straße nach Merusaglia, dem Heimatdorf des Babbu di a patria, Pasquale Paoli. So schließt sich der Kreis.

 

 

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