8:00 Uhr am Bahnhof von Ajaccio. Diesen September drängen sich noch viele Reisende am Bahnsteig. Bald schon geht es los.
08:12 Uhr: „U Trinichellu“ (zu Deutsch „der Zitternde", in Anlehnung an die alten Modelle, deren Konstruktion wackelte) fährt los in Richtung Norden. Vor uns liegt der Golf von Ajaccio, die Kreuzfahrtschiffe haben im Hafen festgemacht, das Meer glitzert und die Sonne wärmt uns durch die Fensterscheiben hindurch.
Die Bahnstrecke verläuft für mehrere Kilometer parallel zur Nationalstraße, die nach Corte führt. Nach rund zehn Minuten verändert sich die Landschaft: Die Autos werden seltener, die Berge rücken näher, die Palmen weichen den Kastanien, das Meer den Flüssen, Macchia und Steinhäuser tauchen vor uns auf ... wir erreichen das Gravona-Tal: Aucciani, Carbuccia, Tavera, Bocognano – wir haben den Eindruck, in das tiefe und ursprüngliche Korsika einzutauchen und ein unerforschtes Gebiet zu entdecken.
Während wir uns dem Dorf Bocognano nähern, verändert sich die Landschaft erneut: Wir durchqueren Wälder und Flüsse. Der Bahnhof von Bocognano ist, wie auch die anderen Bahnhöfe, die wir entlang der Strecke sahen, ein großes quadratisches Gebäude aus dem 18. Jahrhundert. Es wirkt fast streng, besitzt aber unglaublichen Charme.
Einige Reisende steigen ein, andere aus ... Wanderer in Vizzavona, Studenten in Vivario, Arbeiter in Venaco. Die Stimmung entspannt sich ein wenig, es wird geplaudert. Ein englischer Tourist fragt mich, ob der blaue Himmel, den wir heute haben, typisch für den September ist. Ich antworte ihm, dass der Herbst auf Korsika eine Verlängerung des Sommers ist und dass den ganzen Monat lang noch viele schöne Tage aufeinander folgen werden! Dann entsteht ein regelrechtes Stimmengewirr: Jeder erzählt seine eigene Anekdote und von seinen Urlaubserlebnissen. Die Reisenden sind glücklich und scheinen befreit von jeglichem Stress! Ein Zug als Mittel gegen Trübsal?
Wir treffen auch auf einige Tiere, die anscheinend daran gewöhnt sind, dieses laute und rollende Objekt an sich vorbeifahren zu sehen: Füchse, Rotmilane, Kühe und auch Esel. Der Fahrer bremst ab. Es scheint ihm fast unangenehm zu sein, ihre Ruhe gestört zu haben.
Zwei Stunden später hält der Zug am Bahnhof von Corte an. Fast widerwillig verlasse ich den Wagon: Was für eine ungewöhnliche Reise quer durch Korsika!